Willi Bucher anlässlich seines 80. Geburtstags
Anlässlich des 80. Geburtstags von Willi Bucher laden Forum Kunst und der Künstler selbst in den Turmsaal der Rottweiler Pulverfabrik zu einer Sonderausstellung ein. Der in Fridingen an der Donau lebende Bildhauer steht zur regen Rottweiler Kunstszene in engem Kontakt. Unter Kunstinteressierten ist er vor allem als Schöpfer fantasievoll gestalteter Larven aus Holz und anderen Materialien bekannt. Die Werkgruppe der Larven ist mittlerweile zu einer Kunstwelt eigenen Gepräges geworden, die den Betrachter auf magische Weise in ihren Bann zieht.
Veranstaltungsdetails
Wie kommt ein Künstler auf die Idee, das Thema „Larve/Maske“ aus dem Kontext der schwäbischen-alemannischen Fasnachtstradition zulösen und daraus ein so autonomes wie originelles Werk zu entwickeln? Willi Bucher, gelernter Steinbildhauer, hatte bereits eine Reihe von Holzlarven für die Fasnacht in seiner Heimatstadt Fridingen an der Donau geschnitzt, als er 1974 einen Entwurf für das „Pestmännle“, Hauptdarsteller des Narrenspiels im hohenzollerischen Hechingen, abliefern sollte. Bucher fertigte eine Larve aus Blech: entstellt, einäugig, Furcht einflößend und bedauernswert in einem. Das Gremium, das über den Vorschlag zu befinden hatte, lehnte ihn ab. Diese Blechlarve, die gestalterisch so reduziert ist, dabei ausdrucksvoller nicht sein könnte und für die schwäbisch-alemannische Fasnetslandschaft revolutionär gewesen wäre, führt Willi Bucher als Nummer 1 in seinem Werksverzeichnis. Das „Nein“ der Auftraggeber war schnell verschmerzt, denn es öffnete den Horizont hin zu weit kühneren Experimenten. Bis heute sind weit über 1.000 unikate Arbeiten entstanden - das erfordert nicht nur überbordende Fantasie und überragendes Können, sondern auch Disziplin und Durchhaltevermögen. Auch ein Motiv, das so spielerisch daherkommt, muss konsequent beackert werden, um ihm immer wieder andere Aspekte, eine neue Schattierung abzuringen – und so ein Werk zu schaffen, das im zeitgenössischen Kunstgeschehen eine singuläre Position einnimmt.Tatsächlich ist jede Larve eine originäre Erfindung des Künstlers. Sie entsteht spontan, intuitiv, niemals nach realen Vorbildern oder als Portrait. Lindenholz war Willi Bucher seit jeher zu langweilig, weil es sich leicht schnitzen lässt. Er hat fast ausschließlich mit Eiche gearbeitet, die ist widerständig, hart, setzt auch mal Grenzen, die der Bildhauer respektieren muss. Mit den Herausforderungen des Materials geht er virtuos um: äußerst selten misslingt ihm etwas. Was inspiriert ihn? Willi Bucher beobachtet gerne Passanten, freut sich über auffällige, von der Norm abweichende Physiognomien. Für Schönheitsideale hat er nichts übrig, dafür ein ausgeprägtes Sensorium für Skurrilität. Ihm fallen Dinge auf, die andere gar nicht erst wahrnehmen oder geflissentlich übersehen. Die Ausstaffierung seiner Larven zeugt von diesem besonderen Blick auf die Welt – und von einer ausgeprägten Sammelleidenschaft: Stoff- und Lederfetzen, abgeschrabbelte Pappe, Perlen, Metallteile, Schnüre, feine Stickereien, Drähte, Tierzähne, Kappen, Spiralen, verfilzte Wolle, Flaschenverschlüsse, ausgequetschte Tuben, Spitzendeckchen, überfahrene Kröten, Bürsten – gebraucht, aber nicht mehr in Gebrauch, ausrangiert, kaputtgegangen, zerknittert, verwelkt, zerstört, weggeworfen, verloren. Willi Bucher recycelt alles. Banalste Alltagsrelikte prägen das Erscheinungsbild vieler Larven, treiben ihre Expressivität auf die Spitze. Man könnte es Magie nennen.
Doch es sind nicht allein die Attribute, die jede Larve einzigartig machen. In den ersten Jahren blieb die Holzoberfläche weitgehend naturbelassen, doch bald begann Bucher sie zur Gänze oder teilweise mit Kalk, Leim und Sand zu behandeln oder zu schwärzen. Mit farbigen Papieren, die er aufklebt und wieder abschleift, akzentuiert er die Tiefenwirkung und erzeugt Patina. Auch die Form seiner Larven spielte Willi Bucher in unzähligen Varianten durch. Dabei bleibt das menschliche Gesicht das Maß aller Dinge – gelegentliche Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch innerhalb dieser Vorgabe findet man alles: breit, schmal, flächig, gewölbt, in die Länge gezogen, spitz auslaufend, asymmetrisch. Mal dominiert die Stirn-, mal die Kinnpartie. Gelegentlich fehlen Ober- und Unterkiefer. Münder sind verschlossen, dafür klaffen Löcher und Risse an Stellen, wo sie nie sein dürften.
Man mag das lustig finden. Ist es auch. Aber man kann auch erschrecken, den eigenen Ängsten und Traurigkeiten begegnen. Die Bucher-Larven spiegeln die ganze Bandbreite menschlicher Physiognomien, Charaktere und Befindlichkeiten, führen gar Verfall und Endlichkeit vor Augen.
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www.forumkunstrottweil.de/
Kein Ticket
erforderlich
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